Dagegen anzukämpfen hat keinen Sinn: Das Umfeld von negativen Zinsen und die expansive Geldpolitik werden Investoren noch lange das Leben schwer machen. Vermeiden lassen sich hingegen Anlegerfehler wie der nostalgische Blick in die Vergangenheit.
«Alles hat seinen Preis. Aber nicht jeder Preis seinen Wert.» Als der Schweizer Journalist Walter Ludin diesen Aphorismus schrieb, wird er kaum an die Börse gedacht haben und die Turbulenzen, welche Marktteilnehmer verursachen. Aber gerade im schwierigen Umfeld von Negativzinsen und expansiver Geldpolitik ist Ludins Ausspruch höchst aktuell. Denn er trifft den Kern mehrerer psychologischer Fehlverhalten von Anlegern. Die Börse ist ein Marktplatz für Investoren, die mit Wertpapieren aller Art handeln. Das Besondere daran: Gegensätzlicher könnten ihre Interessen an der Börse nicht sein. Der eine möchte kaufen, der andere will im selben Moment verkaufen. Die gegensätzlichen Interessen sind dennoch geprägt von Kalkül und Rationalität. Schliesslich will der eine einen bestimmten Preis erzielen, während der andere bereit ist, nur einen bestimmten Preis zu bezahlen.
Leser dieser Kolumne wissen hingegen, dass an der Börse keineswegs die reine Vernunft spielt. Bezahlte Preise für Wertpapiere stimmen mit ihrem effektiven Wert vielfach nicht überein. Spiegeln tut sich dieses durch vielerlei Psychofallen beeinflusste Phänomen in den teils enormen Marktschwankungen.
Eine klassische Psychofalle, in welcher Investoren Preis und Wert von ein und demselben Anlagepapier völlig unterschiedlich – und leider falsch – einschätzen, ist die «rosy retrospection», die rosige oder nostalgische Erinnerung. Getreu dem Motto «früher war alles besser» oder «die guten alten Zeiten» werden Erinnerungen als Entscheidungsgrundlage für einen Kauf oder das Halten einer Aktie hinzugezogen. Doch haben diese Erinnerungen mit der Realität nur wenig bis gar nichts mehr zu tun. Forscher haben diesbezüglich zwei interessante Aspekte entdeckt: Rosige Erinnerungen verlaufen nach sehr ähnlichen Mustern und sie dienen als Schutzmantel für unsere Stimmung.
Bei Agfif International treffen wir beinahe täglich auf diese Muster in den Kundendepots unserer Neukunden, die wir zum ersten Mal analysieren. Nicht selten finden wir Titel, die nur noch einen Bruchteil des Kaufpreises wert sind. Nahezu immer steht der Kunde mit diesen «Kellerleichen» in einer emotionalen Verbindung.
Die Tragik des Fehlverhaltens offenbart der Kunde mit dem Satz: «Zu diesem Preis gebe ich den Titel nicht.» Der Unterschied in der Wahrnehmung von Preis und Wert wird hier klar ersichtlich. Ein extremes Beispiel sind einige Kunden, die seit fast 15 Jahren ihre wertlosen Swissair-Aktien nicht ausbuchen lassen.
Wir werden nicht müde zu betonen, dass die Aktie die mit grossem Abstand beste Anlageklasse in der Geschichte ist. Trotz aller Crashes und Schwankungen gibt es in Zeiten von Negativzinsen nur wenig sinnvolle Alternativen. Doch gibt es einige sehr wichtige Aspekte, die selbst ein Laie berücksichtigen sollte und auch kann.
Vergessen Sie die Vergangenheit und konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart und Zukunft. Einer Aktie ist es vollkommen egal, ob sie in ihrem Depot mit 40 Prozent im Minus steht oder 60 Prozent im Plus und warum es dazu gekommen ist. Die Vergangenheit spielt nur bei einem zentralen Aspekt eine wichtige Rolle, nämlich bei der Frage nach der Regelmässigkeit und Höhe der gezahlten Dividenden. Denn genau hier liegt bei den momentan nicht vorhandenen Zinsen der Schlüssel zum Erfolg.
Nicht Cash ist King, sondern der Cash-flow. Wenn Sie dies berücksichtigen, dann werden Sie sich wie unsere Kunden gerne an die von uns empfohlenen Titel wie Burkhalter, LEM, Ems Chemie, Schweiter, Bell und weitere erinnern. Deren im letzten Jahrzehnt bezahlte Dividenden haben den ursprünglichen Kaufpreis bereits eingespielt. Darin liegt der Wert einer Aktie, an die man sich sogar sehr gerne erinnert.
Mojmir Hlinka