Mit «Rosetta» ist es der europäischen Raumfahrtagentur ESA erstmals gelungen, auf dem Kometen «Tschurjumow-Gerassimenko» zu landen. Für dieses Ziel war die Sonde seit zehn Jahren in den Weiten des Sonnensystems unterwegs.

Es ist das Unbekannte, das die Neugier des Menschen quält. Kometen stehen für das Unbekannte in Reinform. Lange Zeit galten sie als Unglücksboten, heute als Wegbereiter des Lebens überhaupt. Vermutlich brachten sie einen Grossteil des Wassers auf die junge Erde, womöglich sogar komplexe Moleküle, aus denen sich simple Lebensformen entwickelten. Genau sagen lässt sich das aber nicht, nach wie vor wissen die Astronomen nur sehr wenig über die fliegenden Eisklumpen.

 

Ein winziger Brocken – und die Sonde ist blind

Ihren Zauber haben sie nicht verloren, auch nicht als sich Jahrzehnte später die ersten Raumsonden Kometen nähern. «Das war enorm spannend», erinnert sich Eberhard Grün an seine Zeit im Team der europäischen Mission zum Halley’schen Kometen im Jahr 1986. Insgesamt fünf Sonden fliegen dem Himmelskörper entgegen. Zum ersten Mal wollen die Forscher den festen Kern eines Kometen sehen, der für den weithin sichtbaren Schweif ursächlich ist. Ein Kometenkern, meist nur einige Kilometer gross, ist verglichen mit seinem Schweif winzig und mit irdischen Teleskopen nicht zu erkennen. An die Sondenarmada knüpfen Forscher ähnlich hohe Erwartungen wie heute an «Rosetta». Der Kometenkern besteht aus festem Material, der Schweif wird von einzelnen Fontänen gespeist, erfahren sie. Doch dann trifft ein Brocken die heranpreschende «Giotto»-Sonde, der Datenstrom bricht schlagartig ab. Ihre Instrumente sind für den Rest des Vorbeiflugs blind. «Es war klar, dass die Mission einen Kamikazeaspekt hat», sagt Grün.

 

Überleben am Rand des Sonnensystems

Heute projizieren ganze Forschergenerationen ihre Hoffnungen auf «Rosetta». Denn Kometen stecken voller Widersprüche. Sie versprühen Wasserdampf, doch ihre Oberfläche erscheint trockener als jede Sandwüste. Sie bestehen zur Hälfte aus Eis, sind aber schwarz wie Holzkohle. Es gibt dort organische Moleküle, die für fast alle irdischen Arten lebenswichtig sind. Dabei kann nichts auf einem Kometen gedeihen.

Kometen sind Reste des jungen Sonnensystems, der ersten Jahrmillionen einer 4,5 Milliarden Jahre alten Geschichte, die in einer Gaswolke begann. Aus diesem Material entstand zuerst die Sonne. Das übrige Material klumpte zu Brocken zusammen, die wiederum oft kollidierten. Einige wurden grösser, heisser und entwickelten sich zu Planeten wie die Erde. Ein Teil blieb zurück und fristet bis heute sein Dasein am Rand des Sonnensystems: die Kometen.

 

Woher kommt das Wasser in den Ozeanen?

Im Lebenslauf der Erde gibt es in jener Zeit allerdings eine Lücke. Denn die jungen Planeten waren extrem heiss, man spricht auch von der Lava-Ozean-Phase. «Die Erde muss damals viel trockener gewesen sein», sagt Humberto Campins von der Universität von Zentralflorida, ein Experte für Wasser im Planetensystem. «Bis heute konnten wir nicht klären, woher das Wasser der Ozeane stammt.»

Eine Idee haben sie allerdings. Nachdem die Planeten entstanden waren, blieb ein Teil des Baumaterials als Kometen und Asteroiden übrig. Sie verwüsteten vor rund vier Milliarden Jahren die neu entstandenen Welten durch andauernde Kollisionen. Als der Mond und der Merkur ihr heutiges Kratergesicht erhielten, muss auch die Erde von den Brocken bombardiert worden sein. Neben der Zerstörung brachten sie vielleicht etwas Neues. Wasser.

 

Lebensbausteine aus dem All?

Woher das Wasser kam, ist für Ekkehard Kührt eine der wichtigsten Fragen an «Rosetta». «Wir haben bisher nur sehr wenige Messungen zum Verhältnis der Wasserstoffisotope in Kometen. Die sind sehr unterschiedlich ausgefallen», sagt der Wissenschaftler am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin. «Rosetta» und «Philae» haben daher mehrere Massenspektrometer an Bord. Sie sollen den Ursprung des irdischen Wassers anhand eines Isotops des Wasserstoffs ergründen: Deuterium. Enthält das Kometeneis ähnlich viel Deuterium wie die irdischen Ozeane, wäre das ein deutlicher Hinweis auf eine Quelle im All.

 

Die Solarzellen könnten von Fragmenten aus Geysiren getroffen werden

Ob und wie lange die zwei Raumsonden in der rauen Umgebung überleben, ist ungewiss. «Philae» soll drei Monate arbeiten (sofern die Solarzellen funktionieren), doch der Staub, der durch die zunehmende Aktivität ausgestossen wird, könnte Solarzellen und Instrumenten schnell zusetzen. Wenn die Fontänen auch grössere Brocken mit sich reissen, könnte das die kreisende «Rosetta» sogar ganz ausschalten. Sie besitzt immerhin 32 Meter lange Solarpaneele, die leicht getroffen werden können. Trotz allem ist es unwahrscheinlich, dass «Rosetta» alle Fragen beantworten kann. Die Erkundung ist ein grosses Puzzlespiel. Und das könnte im Laufe der Mission von 500 auf 1000 Teile anwachsen. Sobald ein Teil bekannt würde, offenbarten sich weitere Unbekannte. Das gehört zur Wissenschaft dazu.