Ihre Karriere begann als kleines, neunjähriges Mädchen auf dem Dietiker Fussballplatz, der jetzt Neo-Arena, Dornau heisst. Ja, damals kickten noch Mädchen und Frauen im grössten Verein des Limmattals. Bald schon wurde man auf die gross gewachsene Rahel aufmerksam, sodass sie bald einmal zu den Juniorinnen des FC Zürich-Seebach wechseln durfte.
Ende 2022 wurde sie im Rahmen einer Ehrung für verdienstvolle Sportlerinnen und Sportler im «Gleis 21» vom Dietiker Stadtpräsidenten Roger Bachmann mit einem Preis ausgezeichnet. – Dies war gleichzeitig meine Chance, sie für ein Interview zu gewinnen.

«trends & style»: Seit der letzten EM-Endrunde kickst du nicht mehr. Wie geht es dir?

Rahel Kiwic: Mir geht’s tipptopp. Meine Zeit jetzt selbst zu gestalten ist ein ganz neues Gefühl. Jedoch fehlt mir die Verpflichtung, zum Sport gehen zu müssen, schon ein bisschen. Auch wenn man nicht immer gerne zum Training gegangen ist, hat es schlussendlich trotzdem immer gutgetan. Dies wird mir jetzt immer mehr bewusst, weil es mir teilweise sehr schwerfällt, mich zum Sport durchzuringen.

Bereust du deinen Rücktritts-Entscheid?

Nein, überhaupt nicht. Wenn ich die Mädels kicken sehe, zucken meine Füsse schon ab und zu. Jedoch will ich den Aufwand nicht mehr betreiben, den es benötigt, vorne mitzuspielen. Ich habe grossen Spass daran, in meiner Arbeit neue Interessen zu entdecken und mich da weiterzuentwickeln.

Wer hat dich in deiner frühen Jugend zum Fussballspielen animiert?

Mein Papa war schon immer fussballbegeistert. Er nahm mich schon früh zu Spielen mit. Ausserdem habe ich viel mit meinem Bruder und meinen Cousins gespielt sowie auf dem Pausenhof mit meinen Klassenkameraden.

Liegt Fussball bei euch in der Familie?

Ich denke schon ein bisschen. Das Interesse daran war schon immer sehr gross und das Ballgefühl kommt sicherlich auch von meinem Papa, auch wenn er nie ganz nach oben wollte.

Wie alt warst du, als du deinen ersten Bundesliga-Vertrag unterzeichnet hattest?

Ich bin mit 23 Jahren in die Bundesliga zum MSV Duisburg gewechselt. Bundesliga-Vertrag hört sich jetzt aber sehr professionell an, war es aber nicht. Auch in der Bundesliga sind die Gegebenheiten von den besten Teams in der Liga zu den Abstiegskandidaten enorm unterschiedlich. Der MSV Duisburg gehörte eher zu den Letzteren.

Die grössten Erfolge feierte Rahel Kiwic mit dem FC Zürich

Was waren das für Gefühle, als du zum ersten Mal im Ausland allein auf dich gestellt warst?

Ich habe immer ein wenig Zeit gebraucht, bis ich mich in einer neuen Umgebung wohlgefühlt habe. Deshalb war es doch ein grosser Schritt für mich, so weit weg von zu Hause zu sein und niemanden zu kennen. Jedoch waren die Teamkameradinnen immer sehr hilfsbereit und offen zu den Neuankömmlingen. Aber natürlich war es auch ein gutes Gefühl, das erste Mal selbst für mich verantwortlich zu sein .

Meiner Meinung nach harzt es wieder im Schweizer Frauenfussball. Was braucht es für eine grössere Akzeptanz?

Ich denke, die Medienpräsenz muss weiter gesteigert werden und die Spiele müssen gesehen werden. Es war wunderschön zu erfahren, wie viele Leute die EM in England mitverfolgt hatten, positives Feedback zu erhalten und schon gar ein bisschen ein EM-Fieber in der Schweiz miterleben zu dürfen.

Ausserdem ist es wichtig, dass viele Mädchen Fussball spielen und den Nationalspielerinnen nacheifern wollen. Das geht aber auch nur, wenn die schulischen Voraussetzungen dafür gegeben sind und man sich nicht früher oder später gegen den Sport entscheiden muss.

Eine EM im eigenen Land würde den Frauenfussball natürlich auch fördern, umso mehr, wenn die Nati noch Erfolge feiern kann.

Was war dein absolutes Karriere-Highlight?

Mein Highlight war die WM in Kanada. Es war unser und auch mein erstes grosses Turnier überhaupt, und zudem waren wir in Downtown Vancouver stationiert. Wir konnten die WM-Luft hautnah miterleben – jedes Mal, wenn wir nur kurz unser Hotel verliessen, konnten wir die Fans spüren. Dies hat es sicherlich noch spezieller gemacht.

Spass und Freude im Training beim FCZ

Könntest du dir vorstellen, eventuell in einer anderen Funktion für den Frauenfussball tätig zu sein?

Vielleicht früher oder später schon. Man kennt dieses Metier seit vielen Jahren und hat hautnah miterlebt, welche Herausforderungen zu meistern sind. Deshalb wäre es sicherlich auch schön, den Frauenfussball in irgendeiner Form weiter voranzutreiben. Momentan kommt es aber nicht infrage. Eines ist jedoch klar – als Trainerin werdet ihr mich nie sehen .

Was machst du beruflich und wo arbeitest du jetzt nach deinem Rücktritt? Hattest du Mühe mit der Jobsuche?

Ich hatte das Glück, dass mich der FC Zürich bei der Jobsuche unterstützte, als ich zurück in die Schweiz kam. So habe ich den Weg zum Athletes Network gefunden. Da es in der Schweiz nach wie vor nicht möglich ist, diesen Sport professionell auszuüben, habe ich während meinen letzten zwei Jahren parallel schon da gearbeitet. Deshalb hat sich seit meinem Rücktritt diesbezüglich nichts geändert. Ausser, dass ich mein Pensum erhöht habe.

Das Athletes Network bietet ein riesiges Netzwerk an Partnerunternehmen, die es aktiven und ehemaligen Athletinnen und Athleten ermöglichen, sich neben der Sportkarriere auch beruflich zu entfalten und sie werden so in den jeweiligen Karrierephasen unterstützt. Es passt zu mir demnach wie die Faust aufs Auge. Dort bin ich in der Kommunikation tätig.

Bist du verwandt mit dem Dietiker Stadtrat Anton Kiwic (Vorsteher Hochbauabteilung)?

Ja genau. Ich wage zu behaupten, dass ich mit jedem Kiwic in der Schweiz irgendwie verwandt bin. Er ist der Bruder meines Vaters und zugleich auch mein Patenonkel.

Du hattest Verträge bei zwei Bundesligisten. Hast du mal so richtig gut Kohle verdient? Wenn ja, bei welchem Verein?

Nein, das habe ich nicht. Beim 1. FFC Turbine Potsdam hatte ich ein anständiges Gehalt, um gut zu leben. Aber auch da war es eher von der Hand in den Mund, als dass ich mir ein grosses Polster hätte anlegen können. Ich bin also nicht Fussballerin geworden, um reich zu werden.

Schaust du dir die aktuellen Spiele der Frauen noch an? Trifft man dich ab und zu im Letzigrund?

Ich verfolge die Resultate mit, habe jedoch den Weg an den Spielfeldrand bisher nicht oft gefunden, muss ich zugeben. Ich war schon zu Aktivzeiten eher eine Schönwetterfussballerin, deshalb stehen die Chancen bei wärmeren Temperaturen sicherlich wieder besser. Ab und zu war ich auch im Letzigrund, wobei die Pommes frites da aber auch eine zentrale Rolle spielten.

Jahrelang war Rahel Kiwic in der Innenverteidigung im Nationalteam gesetzt

Bitte beantworte die folgenden Fragen nur mit einem Wort oder einem kurzen Satz:

Wein oder Bier?: Je nach Lust und Laune auch beides.

Fisch oder Fleisch?: Fisch ist das bessere Geschmackserlebnis.

Kopfballspiel: Ich wurde häufig reduziert darauf.

Wer gewinnt die Champions League der Männer?: Bestimmt nicht Barcelona!

Familie: Da habe ich wirklich Glück gehabt.

Teamplayerin oder Einzelgängerin?: Teamplayerin

Lieblings-Sommerferiendestination?: Zürich im Sommer ist einfach das Beste.

Lieblings-Winterferiendestination?: Da muss ich passen.

Mein Musikstil: Elektronisch

Welcher Stürmerin möchtest du nie wieder begegnen?: Sydney Leroux hat uns an der U20-WM zerstört …

Deine beste Trainerin/dein bester Trainer war: Martina Voss-Tecklenburg

Mein Wunsch für 2023: Vitalität und Gesundheit für mich und meine Liebsten.

Der FCD bedeutet mir: Kindheitserinnerung

FACTS & FIGURES RAHEL KIWIC

Geboren:       5. Januar 1991 (32)
Grösse:          1,85 m
Job:                bei Athletes Network

Juniorin:
2000–2005: FCD
2005–2007: FCZ-Frauen

Aktiv:
2007–2014:  FCZ-Frauen
2014–2017:  MSV Duisburg
2017–2020:  1. FFC Turbine Potsdam
2020–2022:  FCZ-Frauen

Erfolge:

  • Schweizer Meister mit dem FCZ:
    2009, 2010, 2012, 2013, 2014, 2022
  • Schweizer Cupsieger mit dem FCZ:
    2012, 2013, 2022

Total Tore:

  • 35 Tore in 182 Ligaspielen (als Innenverteidigerin)
  • 14 Tore in 83 Länderspielen für die Schweizer A-Nationalmannschaft und diverse in den Jugendauswahlen