«Das älteste und stärkste Gefühl ist die Angst, die älteste und stärkste Form der Angst ist die Angst vor dem Unbekannten», schrieb der amerikanische Schriftsteller H. P. Lovecraft und brachte damit ein grosses Problem der Anleger auf den Punkt.
Ganz getreu dem Motto «was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht» bleiben die Investoren im Heimmarkt und verzichten sehr oft auf die Chancen ausserhalb. Wen wundert’s? Die vergangenen Jahre waren für die Investoren alles andere als einfach. Die Hypotheken-krise in den USA, negativ gekrönt mit dem Untergang von Lehman Brothers, und die Schuldenkrise in Europa schicken die Märkte sowie die Emotionen der Anleger immer wieder auf die Achterbahn. Natürlich will niemand die starken Erholungsphasen verpassen, doch dazu muss man erst mal richtig positioniert sein. Das Schwierigste dabei ist nun mal die Angst vor dem Unbekannten, denn diese verschliesst den sprichwörtlichen Blick über den Gartenzaun auf den möglicherweise viel grüneren Rasen des Nachbarn.
Es sind zwei eng zusammenhängende psychologische Fehlverhalten, die uns das Leben schwer machen: der «home bias» und die «ambiguity aversion». Der «home bias» drängt uns, in den Heimmarkt und in vermeintlich bekannte Unternehmen zu investieren. Die «ambiguity aversion» (also die Aversion gegen Doppeldeutigkeit) hindert uns, Chancen in ausländischen Märkten wahrzunehmen. Die Begründung liegt darin, dass Anleger
höhere Unsicher-heiten gegenüber Renditeerwartungen und Risiken im «unbekannten Ausland» empfinden. Somit ist es sehr wichtig, Ambiguitätstoleranz zu entwickeln, um mit der Koexistenz von interna-tionalen Chancen und Risiken angemessen umgehen zu können. Kurzum: Der Rasen des Nachbarn kann unter Umständen besser gedeihen als der eigene.
Ein herausragendes Beispiel sind so genannte «Momentum Aktien» in den USA, wobei mit «Momentum» die Stärke einer Kursbewegung gemeint ist. Stellvertretend für viele sollen diese Unternehmen, die
Geschichte geschrieben haben, kurz darstellen, welche Opportunitäten ein Blick über den grossen Teich eröffnet mit ihren Kursgewinnen der letzten 10 Jahre: Die inzwischen wertvollste Marke der Welt
«Apple» (Kursanstieg 4500 Prozent), der grösste Onlinehändler «Amazon» (1850 Prozent), der Internetgigant «Google» (1300 Prozent), das grösste Internetreisebüro «Priceline» (6300 Prozent). An der Spitze der grössten 500 amerikanischen Firmen liegt der Kaffeeriese «Keurig Green Mountain» mit unfassbaren
7800 Prozent Kursanstieg in der letzten Dekade. Nur schwer fällt hier die Vorstellung, dass vor 10 Jahren investierte 12.500 $ den Green Mountain Investor zum Millionär machten.
Damit soll keineswegs gesagt werden, dass es hier in der Schweiz keine hoch interessanten Chancen gibt. Aber für den Rest der Welt ist die Schweiz Ausland und so gilt für alle Investoren dieser Welt der wunderbare Satz des US-amerikanischen Komponisten Virgil Thomson: «Probiere etwas, das du noch nie gemacht hast, dreimal aus. Das erste Mal, um die Angst zu besiegen. Das zweite Mal, um zu lernen, wie es gemacht wird. Ein drittes Mal, um herauszufinden, ob du es magst oder nicht.» So bleibt nur hinzuzufügen: Erzielen Sie dabei gesunde Renditen wo auch immer und respektieren Sie ihr Risikoprofil, dann werden Sie noch viele Male über den Gartenzaun blicken.
Vielleich aber ist dann Ihr Gras plötzlich noch grüner.
Mojmir Hlinka