TORBJØRN C. PEDERSEN

Der Däne Torbjørn C. Pedersen wollte erreichen, was noch niemand zuvor probiert hatte, und als erster Mensch alle Länder der Welt bereisen, ohne zu fliegen – inzwischen hat er es geschafft. Eine Person, die Aussergewöhnliches vollbracht hat, was das Reisen betrifft, und zu Recht als Pionier gilt.

Bei der Award-Verleihung von «Travelbook» begeisterte er die Gäste mit erstaunlichen Geschichten über seine zehn Jahre andauernde Reise in alle Länder der Welt, bei der er kein einziges Mal ein Flugzeug betreten hat.

Verleihung «Travelbook Award» (Bild: Mike Douglas)

Zehn Jahre ist es her, dass Torbjørn «Thor» Pedersen aufbrach, um alle Länder der Welt zu bereisen. Eine seiner selbst auferlegten Regeln war, dass er erst zurückkehrt, wenn er sein Ziel erreicht hat. Inzwischen ist er wieder zu Hause – mit einem Weltrekord in der Tasche. Denn seit dem 24. Mai 2023 ist er der erste Mensch der Welt, der alle Länder der Welt bereist hat, ohne ein einziges Mal zu fliegen. Torbjørn Pedersen, der sich selbst im Internet, etwa auf seinem Blog «Once Upon a Saga», «Thor» nennt, hat damit insgesamt 203 Länder besucht. Das sind sogar mehr als die 195 von den Vereinten Nationen anerkannten Staaten, was daran liegt, dass er teilweise Überseeregionen, etwa Grönland, als eigene Länder zählt. In jedem dieser Länder hat er sich mindestens 24 Stunden aufgehalten – oft jedoch deutlich länger, im Extremfall, seinem längsten Aufenthalt, waren es zwei Jahre. Als er 2013 aufbrach, war ihm klar, dass er lange nicht in seine Heimat Dänemark zurückkehren würde. Dreieinhalb bis vier Jahre kalkulierte er für seinen ambitionierten Plan. Nun wurden es zehn. Was bringt einen Menschen dazu, so lange seine Heimat, Freunde und Familie zu verlassen – für einen Rekord?

Pedersen im Zug in Sri Lanka (Travelbook.com)

PIONIER WERDEN – ZU EINEM HOHEN PREIS

«Abenteurer haben mich schon immer fasziniert», sagt Pedersen im «Travelbook»-Interview. Die ersten Entdecker der Südsee oder der Pole seien schon in seiner Kindheit Vorbilder gewesen. 2013 machte ihn sein Vater dann darauf aufmerksam, dass bis dahin lediglich knapp 200 Menschen alle Länder der Welt gesehen hatten, «ein Kreis, der noch heute elitär ist», wie Pedersen weiss. Doch in diesen Kreis aufgenommen zu werden, reichte ihm nicht. Er wollte ein Vorreiter sein, ein Pionier. Nach einigen Monaten des Überlegens entschied er sich, alle Länder der Welt ohne Flugzeug zu bereisen. Das hatte noch nie zuvor jemand versucht. Nur war es so: Natürlich gab es Gründe, warum das niemand bis dahin gewagt hatte.

SO HART IST ES, OHNE FLUGZEUG RUND UM DIE WELT ZU REISEN

Pedersen startete seine Reise in Mitteleuropa, fuhr dann nach Nordamerika und Südamerika. Danach bereiste er Afrika, dann den Mittleren Osten, Osteuropa, Asien und schliesslich die Inseln im Pazifik. Um von A nach B zu kommen, benutzte er Züge, Taxis, Busse, Ridesharing-Dienste, Tuk-Tuks, Fähren und Containerschiffe. Eine beschwerliche Art, sich fortzubewegen, vor allem auf den Containerschiffen. Denn das jeweilige Unternehmen musste die Mitfahrt im Vorhinein genehmigen. Das kostete Nerven und vor allem – Zeit. Gerade in der Anfangsphase seiner Reise, als er noch nicht 70’000 Abonnenten bei Instagram und Artikel von renommierten, internationalen Medien hatte, habe es Absagen gehagelt. «Wenn man keine Erfolge vorzuweisen hat, ist es schwer, jemanden zu überzeugen», sagt Pedersen. «Unternehmen versuchen in erster Linie, Geld zu verdienen. Und mir zu helfen, bringt keine Einnahmen. Dieser Mangel an Unterstützung hat mich in meinem Zeitplan sehr zurückgeworfen.»

Torbjørn Pedersen in der äthiopischen Wüste (Bild: Torben C. Pedersen)

MONATELANGES WARTEN AUF EIN VISUM

Ein weiterer Faktor ist, dass bei einer Reise in alle Länder der Welt auch diverse Staaten auf der Agenda stehen, die für Urlauber eigentlich ungeeignet sind. Eine Weltreise, wie Pedersen sie machte, führte auch in Kriegsgebiete, Diktaturen oder Regionen, die von Naturkatastrophen oder Bürgerkriegen gebeutelt sind.

Zudem freut sich nicht jedes Land über Touristen. «Für Äquatorialguinea habe ich allein drei Monate gebraucht, um ein Visum zu erhalten. Ich musste immer wieder in verschiedenen Ländern in Botschaften und Konsulate, bis ich endlich das Visum bekommen habe», erinnert sich Pedersen. Doch das half ihm vor Ort auch nur bedingt. «Man wollte mir nicht erlauben, ins Land einzureisen. Sie sagten, ich sei nicht willkommen. Dabei hatte ich das Visum!» Einen Monat wartete er an der Grenze, bis er es schliesslich ins Land schaffte. Warum es auf einmal erlaubt wurde? Das ist für Pedersen genauso unklar wie die anfängliche Verweigerung. «Vermutlich waren sie paranoid und dachten, dass ich ein Spion bin oder versuche, die Regierung zu übernehmen. Aber ich habe gelernt: Oft ergibt es keinen Sinn, nach dem Warum zu fragen.»

Das trifft auch auf seine beschwerliche Einreise nach Saudi-Arabien im Jahr 2018 zu. Denn auch hier bekam er sehr lange kein Visum. Allerdings nicht, weil man ihn für einen Spion hielt oder nicht im Land haben wollte. Nein – hier lag die Ursache absurderweise in dem Grund seiner Reise. Denn für das Visum hätte Pedersen mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien reisen müssen. Doch zu fliegen hätte seinen Rekord torpediert. «Es war wirklich sehr, sehr komplex», resümiert Pedersen. Die Lösung war schliesslich, mit einem Bekannten und dessen Auto mit saudi-arabischen Kennzeichen das Land auf dem Weg nach Bahrain zu «passieren». Pedersen bekam dadurch nach Monaten endlich ein Transitvisum. Ein langer Atem und Beharrlichkeit waren also unabdingbar auf der Reise. Doch nicht nur das …

Auf den Malediven (Bild: Visitmaldives.com)

EINE WELTREISE VOLLER STRAPAZEN

Pedersen musste sich jahrelang sehr bescheiden zeigen. Sein tägliches Budget lag lediglich bei 20 Euro. Das musste für Transport, Essen, Unterkünfte und Visa reichen. Luxus wie ein Hotelzimmer gab es kaum. Insgesamt hat er nach eigenen Schätzungen in den gesamten zehn Jahren nur knapp 140’000 Euro ausgegeben, also knapp 14’000 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das ist ein Drittel der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland – wobei Pedersen natürlich oft in Ländern war, in denen das Leben deutlich preiswerter als hierzulande oder in seiner Heimat Dänemark ist. Allerdings ist das Leben anderswo nicht nur oft günstiger, sondern auch deutlich gefährlicher.

«Mir war klar, dass ich auf meiner Reise in gefährliche Situationen kommen würde – alles andere wäre unrealistisch gewesen», sagt Pedersen heute. «Ich bin froh, dass ich mit allen Zähnen, Augen und Gliedmassen wieder zurückgekehrt bin.» Dass er das heute sagen kann, ist auch Glück. Denn mehrfach war er tatsächlich in akuter Lebensgefahr.

Pedersen hatte wegen Covid-Vorschriften Mühe nach Neuseeland zu kommen

SINKENDE SCHIFFE, BEWAFFNETE MILIZEN, TÖDLICHE KRANKHEITEN

«Es gibt Schiffe, die nennt man ‹Soulseller›, also ‹Seelenverkäufer›. Das sind Schiffe, die so morsch und kaputt sind, dass man sein Leben, seine Seele, aufs Spiel setzt, wenn man auf ihnen fährt. Ich war sehr oft auf solchen Schiffen», sagt Pedersen. Von dreien dieser «Soulseller» sei bestätigt, dass sie mittlerweile gesunken sind, teils fanden auf ihnen bis zu zwanzig Menschen den Tod. Ein anderes Mal reiste Pedersen auf einem grossen Containerschiff von Island nach Kanada. Mitten im Winter. Über den Nordatlantik. Die Route war ähnlich zu der von der Titanic. Sie gerieten in einen Sturm, der vier Tage andauerte. «Ich sah Wellen, die sieben Meter hoch waren, und ich dachte nur: Okay, das warʼs. Das werden wir nicht überleben.» Doch das Schiff überstand den Sturm. Pedersen kam aus dieser Situation unbeschadet heraus.

Einmal reiste er durch den Dschungel und traf nachts an einem Checkpoint auf betrunkene Milizen, die «bis an die Zähne bewaffnet und extrem feindselig waren». Wie durch ein Wunder geschah ihm nichts. Ein anderes Mal schlief der Fahrer eines Autos ein, in dem er sass. Das Auto geriet von der Strasse ab und nur durch sein Eingreifen ins Lenkrad konnte ein dramatischer Unfall verhindert werden.

Zu einem weiteren Zeitpunkt seiner Reise erkrankte Pedersen an zerebraler Malaria. «Dabei handelt es sich um Malaria, die durch das Gehirn geht und an der man innerhalb von zwei Tagen sterben kann, wenn man nicht behandelt wird.» Pedersen wurde behandelt. Er reiste durch Westafrika zur Zeit der Ebola-Epidemie. Aber er erkrankte nicht. «Ich hatte sehr viel Glück», sagt Pedersen heute. Er wisse nun, dass die Welt viel besser sei, als die meisten Menschen annehmen. Dass jeder Mensch im Leben viel mehr Glückslose habe als Nieten. Das Leben sei für ihn «umgedrehtes Lotto-Spielen» – eigentlich gewinne man fast immer. Und selbst wenn er auf seinen Reisen auch Schlimmes oder Unangenehmes erlebt habe, er würde in jedes Land, das er besuchte, gerne wieder hinfahren. «Überall gibt es Orte, Dinge oder Menschen, die ich gerne wiedersehen würde.»

Man könnte nun meinen, Torbjørn Pedersen hätte eine sehr positive Sicht auf seine Reise. Doch dem ist nicht so. Es gab nur schlicht Dinge, die ihm mehr zu schaffen machten als gefährliche Situationen.

«ZWEI JAHRE WAREN MEINE GRENZE, ABER ICH WOLLTE NICHT AUFGEBEN»

«Ich habe nur sehr wenige Leute getroffen, die zwei Jahre lang gereist sind. Einfach, weil es für die meisten Menschen irgendwann keinen Spass mehr macht», erzählt Pedersen. Der Hauptgrund ist seiner Meinung nach die Einsamkeit. Er beschreibt sie so: «Es ist, als würde man sich auf einer Party in einem Raum voller Menschen befinden, aber irgendwie fühlt man sich immer noch allein. So, als würde man ein Selfie machen und lächeln, dann das Foto betrachten und sich wundern, warum man überhaupt lächelt. Es ist das Gefühl, von allen missverstanden zu werden.»

Dieses Gefühl überkam ihn schon relativ schnell. Bereits nach zwei Jahren hatte er fast jeden Tag den Wunsch, wieder nach Hause zu fahren. Diese zwei Jahre wären eigentlich seine Grenze gewesen. Doch: «Ich wollte auch nicht aufgeben. Ich hatte das Gefühl, etwas Gutes zu tun, Menschen zu inspirieren und zu motivieren, indem ich nicht aufgab und an meinen Zielen festhielt.» Und auch dem Alleine-Reisen kann Pedersen etwas Positives abgewinnen. «Wenn man alleine ist, trifft man deutlich mehr Menschen. Einfach, weil Gruppen einschüchternder sind. Wenn man alleine im Bus sitzt, kommt man viel eher mit Sitznachbarn oder jemand anderem ins Gespräch.» Doch auch das hilft nicht mehr, wenn man nicht mehr die Chance bekommt, überhaupt mit jemandem zu sprechen – nämlich dann, wenn man monatelang in Quarantäne steckt.

DREI JAHRE BRAUCHTE TORBJØRN PEDERSEN FÜR NEUN LÄNDER – UND ZWEI HOCHZEITEN

Im Jahr 2020 ereilt Pedersen nämlich das gleiche Schicksal wie Menschen auf der ganzen Welt: Die Coronapandemie hält die Welt in Atem. Nichts ist mehr wie zuvor. Er befindet sich zu diesem Zeitpunkt in Hongkong – und sitzt dort nun fest. Lediglich neun Länder fehlen ihm noch zu seinem Rekord. Doch weiterreisen? Daran ist nicht zu denken. Und Besuche von seiner Verlobten? Sind ebenfalls ausgeschlossen. Die einzige Chance, seine Partnerin wiederzusehen, wäre, wenn beide verheiratet wären. Aber wie sollten die beiden heiraten, wenn er in Hongkong festsitzt und sie in Dänemark?

«Zuerst dachten wir, es sei unmöglich. Aber dann haben wir herausgefunden, dass man in Utah in den Vereinigten Staaten online heiraten kann!», erzählt Pedersen. So kam es, dass beide über Zoom getraut wurden – die Braut am 19. Dezember, der Bräutigam am 20. Dezember, «wegen der Zeitverschiebung». Tatsächlich akzeptierte die Regierung in Hongkong die Ehe, liess Pedersens Frau einfliegen und beide verbrachten knapp 100 Tage zusammen. Doch eine gemeinsame Rückreise stand noch immer ausser Frage – es fehlten ja noch die verbliebenen Länder für Torbjørn Pedersens Rekord!

Als die ersten Lockerungen der Reisebeschränkungen aufkamen, machte sich auch Pedersen wieder auf: nach Palau, dann Australien, Neuseeland, Fidschi, Samoa, Tonga und schliesslich Vanuatu. Hier gab es dann eine zweite Trauung, denn die Utah-Ehe wird in Dänemark nicht anerkannt. Zwar sind die Dokumente der zweiten Hochzeit auf Vanuatu aufgrund von mehreren Naturkatastrophen vor Ort noch immer nicht in der dänischen Heimat angekommen, aber Pedersen bleibt optimistisch. «Die Frau, die uns getraut hat, Tina, ist eine Deutsche – und Deutsche sind ja sehr organisiert. Wir glauben fest daran, dass wir bald auch offiziell verheiratet sind!», scherzt er. Das könnte dann gemeinsam in der Heimat gefeiert werden. Denn nach zehn Jahren mehr oder weniger andauernder Trennung ist das Ehepaar nun wieder vereint.

WAS KOMMT NUN?

Aktuell kommt Pedersen wieder in seinem alten neuen Leben an. Sein Ziel ist nun Normalität. Er erzählt von Gesprächen abends am Küchentisch, bei denen er und seine Frau ein gemeinsames Wochenbudget für Einkäufe festlegen. Er geniesst es, wieder dänische Milch zu trinken. Und er führt viele Gespräche mit Menschen aus aller Welt, die jetzt, nach seiner erfolgreichen Rückkehr, seine Geschichte erzählen wollen. Damit rennen sie bei Pedersen offene Türen ein: «Der langfristige Plan ist, Vorträge zu halten. Ich möchte meine Geschichte an Universitäten, in Unternehmen und bei Veranstaltungen teilen.» Nächstes Jahr erscheint zudem ein Dokumentarfilm über seine Reise, ein Buch ist ebenfalls geplant. Noch einmal würde er die Reise dennoch nicht machen. «Auf gar keinen Fall», sagt er. «Bei einer Milliarde Dollar würde ich ‹vielleicht› darüber nachdenken.»

Im «Guiness-Buch der Rekorde» ist Torbjørn Pedersens irre Weltreise übrigens nicht. Er weiss, dass die Dokumentation solcher langwierigen Rekorde für die Kreditoren sehr aufwendig wäre. Zudem müsste ein Rekord quantifizierbar sein, erklärt er: «Ich müsste sagen, was meine Parameter waren. War ich der Jüngste? Oder der Schnellste?» Dann wäre es in der Theorie auch möglich, den Rekord zu brechen. Doch dieser Wettbewerbsgedanke ist Pedersen zuwider. «Ich finde nicht, dass es beim Reisen darum gehen sollte, und ich brauche auch keine Medaille, für das, was ich erreicht habe. Ich bin ein Pionier – und das reicht mir.»